Während Deutschlands Konzerne in Sachen Gleichberechtigung nur langsam in die Gänge kommen, sitzen in mittelständischen Unternehmen bereits deutlich mehr Frauen in Führungspositionen. Überhaupt spielt Diversität hier eine zentrale Rolle, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dass es dafür gute wirtschaftliche Gründe gibt, konnte schon eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegen.
Die kürzlich vorgestellte Deloitte-Studie „Arbeitswelten 4.0 im Mittelstand“ stellte fest, dass der Mittelstand stärker auf weibliche Führungskräfte setzt. Sind dies in Großkonzernen gerade einmal acht Prozent, liegt der Anteil der Frauen in Führungspositionen in den mittelständischen Unternehmen bei immerhin 18 Prozent. Das ist zwar deutlich besser, aber immer noch viel zu wenig.
Unternehmen mit höherem Frauenanteil wirtschaften erfolgreicher
Der Studie zufolge gibt es eine Korrelation zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und der Höhe des Frauenanteils. Gab es bei der Besetzung des Vorstands noch keine signifikante statistische Abweichung, sah dies bei den Aufsichtsräten schon anders aus. Während in 19 Prozent der als erfolgreich klassifizierten Unternehmen mindestens eine Frau im Aufsichtsrat sitzt, sind es bei weniger erfolgreichen lediglich 13 Prozent. Hinsichtlich des Frauenanteils der gesamten Belegschaft sieht es ähnlich aus: 41 Prozent der Mitarbeiter erfolgreicher Unternehmen sind Frauen. Bei den weniger erfolgreichen macht der Anteil hingegen nur 34 Prozent aus.
Etliche Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen
Die Ergebnisse sind durchaus statistisch relevant. Da die Unterschiede aber nicht riesig sind und eine Korrelation noch keine Kausalität darstellt, lohnt sich ein Blick in frühere Studien, die sich mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Geschlechterdiversität beschäftigten.
Die Personalberatung Rochus Mummert untersuchte zum Beispiel die Wirkung von Frauen im Aufsichtsgremien und kommt zu einem ähnlichen Schluss. Sitzt mindestens eine Frau im Kontrollorgan, arbeitet das Unternehmen erfolgreicher. Begründet wird dies mit einer veränderten Kommunikationskultur. Seien Frauen Teil des Gremiums, erhielten Themen wie Ethik oder Wertschätzungskultur eine größere Gewichtung. Durch diesen positiven Einfluss auf die Unternehmenskultur würden langfristig auch Profitabilität und Krisensicherheit der Unternehmen gestärkt.
In Deutschland wird das Potential viel zu selten erkannt
Im Global Gender Gap Report 2017 gelangten die Studienautoren des Weltwirtschaftsforums zur Einschätzung, dass Deutschland das Bruttoinlandsprodukt bei vollständiger Geschlechtergerechtigkeit um 267 Milliarden Euro steigern könnte – das sind immerhin gut acht Prozent. Das klingt doch nach einem erstrebenswerten Ziel. In Sachen Bildung und Gesundheit funktioniert das auch schon sehr gut. Ausgerechnet beim Thema wirtschaftlicher Gleichheit aber landet Deutschland auf den hinteren Rängen und belegt nur Platz 43, direkt hinter Kamerun, Russland und Australien.
Dass das weder an mangelndem Ehrgeiz von Frauen hierzulande liegt noch am Kinderwunsch wurde ebenfalls wissenschaftlich belegt. Vielmehr ist es eine Frage der Unternehmenskultur, die (unter anderem) vom Management entsprechend beeinflusst werden kann.
Weibliche Persönlichkeit besser für Führungsaufgaben geeignet?
Einen etwas anderen Ansatz verfolgten 2014 die Forscher der Norwegian Business School. Sie definierten fünf Persönlichkeitsmerkmale erfolgreicher Führungskräfte:
1. Ability to withstand job-related pressure and stress (leaders have a high degree of emotional stability).
2. Ability to take initiative, be clear and communicative (leaders are outgoing, with a high degree of extraversion).
3. Ability to innovate, be curious and have an ambitious vision (effective leaders have a high degree of openness to new experiences).
4. Ability to support, accommodate and include employees (effective leaders display a high degree of sociability).
5. Ability to set goals, be thorough and follow up (effective leaders are generally very methodical).
In der Untersuchung mit 2.900 Führungskräften stellten sie fest, dass Frauen in vier der fünf Merkmale besser abschnitten als Männer. Demzufolge – so die Schlussfolgerung – seien sie tendenziell besser für Führungspositionen geeignet.
Geschlechtervielfalt in Führungsetage steigert Innovationsfähigkeit
Mit dem Thema Innovation und der Frage, welchen Einfluss Geschlechtervielfalt auf die Innovationsstärke eines Unternehmens hat, beschäftigte sich 2016 die BCG-Studie „Innovation Through Diversity.“
Das Ergebnis:
The positive relationship between management diversity and innovation is statistically significant, meaning that companies with higher levels of diversity get more revenue from new products and services.
Konkret bedeutet „more revenue“ an dieser Stelle durchschnittlich 35 Prozent mehr Umsatz als bei den Unternehmen mit einem geringen Frauenanteil. Die Autoren unterstreichen, dass es mit einer homöopathischen Erhöhung des Frauenanteils im Unternehmen nicht getan ist. Erst ab 20 Prozent Frauen in Führungspositionen ließ sich ein signifikanter Anstieg feststellen.
Diversität allgemein mit positiven Auswirkungen
Doch nicht nur mehr Frauen sorgen für gesteigerten wirtschaftlichen Erfolg, sondern auch ganz allgemein mehr Diversität. So haben Führungskräfte aus anderen Ländern, Kulturen, Branchen oder Unternehmen einen vergleichbaren positiven Einfluss auf die Innovationskultur. Diverse Management Teams sind offener für den Input und die Meinungen der Mitarbeiter, eine Grundvoraussetzung für Innovation und Anpassungsfähigkeit im VUCA-Umfeld.
Der Mittelstand scheint das vor Augen zu haben, denn gerade die mittelständischen Unternehmen setzen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels auch ganz gezielt auf die Integration von Flüchtlingen. Bis 2022 wollen sie etwa 500.000 Stellen an Flüchtlinge vergeben.
Die Zeit ist reif für mehr Diversität
Dass viele deutsche Unternehmen angesichts dieser Fülle an Möglichkeiten noch immer Zurückhaltung in Sachen Diversität üben, ist absolut unverständlich. Belege für das ökonomische Potential von Vielfalt in den deutschen Führungsetagen sind zahlreich vorhanden. Zeit auf die Überholspur zu wechseln.