Es ist mal wieder soweit: Heute ist „Equal Pay Day“. Im Klartext heißt das: Bis heute haben Frauen in Deutschland rein rechnerisch „umsonst“ gearbeitet, während Männer voll bezahlt wurden. Schlechte Nachrichten über den Stand der Gleichberechtigung liest man dieser Tage daher – völlig zurecht – immer wieder. Es gibt allerdings auch Positives zu berichten.
Zu den schlechten Nachrichten gehört, dass vor exakt einem Jahr der letzte Equal Pay Day war. Es hat sich also im vergangenen Jahr so gut wie nichts geändert. Das Ziel ist, den Equal Pay Day irgendwann zum Jahreswechsel zu feiern, was bedeuteten würde, dass es keine Lohnlücke zwischen den Geschlechtern mehr gäbe. Seit 2010 gab es insgesamt eine leicht positive Entwicklung. Damals fand er am 26. März statt, der bislang späteste Termin seit der Einführung in Deutschland 2009. Acht Tage haben die Frauen seither also zurückgewonnen.
Auch im EU-Vergleich schneidet Deutschland schlecht ab
Sinn und Zweck dieses Gedenktags ist es, auf die Benachteiligung von Frauen beim Thema Gehalt hinzuweisen, den sogenannten „Gender Pay Gap“. Dieser liegt hierzulande aktuell bei 21 Prozent. Das ist eine Menge Geld. Die aktuellen Zahlen von Eurostat zeigen, dass Deutschland in Europa damit zu den Schlusslichtern gehört. Während Rumänien und Italien das Feld mit etwas mehr als fünf Prozent anführen, schneiden nur Tschechien und Estland mit 25,3% schlechter ab. Der EU-Durchschnitt von 16,2% liegt in weiter Ferne.
Bei den Zahlen handelt es sich um den unbereinigten Gender Pay Gap. Darin wird nicht berücksichtigt, dass es strukturelle Ursachen für den Unterschied gibt. Diese liegen z.B. darin, dass mehr Frauen in Teilzeit arbeiten und der Anteil von Frauen in Berufsgruppen und Branchen mit geringerem Lohnniveau deutlich größer ist. Betrachtet man wirklich vergleichbare Positionen, liegt die Differenz „nur“ noch bei sechs bis sieben Prozent. Allerdings ist auch das immer noch viel zu viel und vollkommen ungerechtfertigt.
So weit so schlecht. Ich möchte hier den Blick aber einmal auf die positiven Dinge lenken und vier Aspekte präsentieren, die Mut machen:
1. Junge Frauen verdienen immer mehr
Immer wieder ist zu lesen, dass Frauen inzwischen besser qualifiziert seien, diese Qualifikation jedoch keine Auswirkungen auf das Gehalt zu haben scheint. Dem ist jedoch nicht so, wie eine adzuna-Studie zum Equal Pay Day nahelegt. Demzufolge liegt das Einkommen der 20-29-jährigen Frauen knapp 15 Prozent unter dem der gleichaltrigen Geschlechtsgenossen. Bei dem Blick in die höheren Altersgruppen klafft die Einkommensschere aber immer weiter auseinander. Der unbereinigte Gender Pay Gap bei den 50-59-Jährigen ist mehr als doppelt so groß. Jüngere Generation an Frauen verdienen demnach bereits deutlich besser als ihre Vorgängerinnen. Und der Trend ist weiter positiv.
Interessant wäre bei dieser Untersuchung eine Berücksichtigung der bereinigten Lohnlücke aller Altersgruppen gewesen, um zu sehen, wie weit wir noch von dem Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ entfernt sind.
2. Frauen in DAX-Vorständen verdienen mehr als Männer
Zwar ist nur jeder achte DAX-Vorstand eine Frau und es gibt noch dazu keine einzige Vorstandsvorsitzende. Dennoch verdienen Frauen in DAX-Vorständen im Schnitt fünf Prozent mehr als Männer. Dr. Jens Massmann, Partner bei EY, bringt die Ergebnisse einer 2017 vorgestellten Studie der Unternehmensberatung auf den Punkt:
„In den Vorständen der DAX-Unternehmen ist zumindest bei der Vergütung die Gleichberechtigung erreicht und die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen geschlossen.“
Ursache für diese positive Entwicklung sei u.a. die erhöhte Nachfrage nach weiblichen Führungskräften und die daraus resultierende bessere Verhandlungsposition. Auffällig sei jedoch, dass dies nur für die stärker im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Unternehmen des DAX gelte. In den anderen Indizes betrage die Lohnlücke nach wie vor zwischen sechs und 23 Prozent. Es braucht scheinbar ein gewisses Maß an Druck und Beharrlichkeit, um Fortschritte zu erzielen. Allerdings setzt auch der Mittelstand bereits stärker auf Frauen.
3. Das Entgelttransparenzgesetz
Mit dem Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen sind große Hoffnungen auf mehr Gleichberechtigung verbunden – insbesondere für Frauen. Seit Januar 2018 hat jeder Arbeitnehmer eines Unternehmens mit mehr als 200 Mitarbeitern einen Anspruch auf Auskunft, auf welchen Kriterien die Bezahlung beruht. Sofern es eine ausreichend große Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts gibt, müssen Arbeitgeber zudem auf Anfrage über deren Medianvergütung informieren.
Mit dieser Regelung haben Frauen nun in vielen Fällen die Möglichkeit, wertvolle Informationen zu erhalten, mit denen sie in Gehaltsverhandlungen deutlich besser argumentieren können. Auch psychologisch ist es ein großer Vorteil, schwarz auf weiß bestätigt zu sehen, wie es um die Gleichberechtigung im eigenen Unternehmen tatsächlich steht.
Bis das Entgeltstransparenzgesetz aber zu weitreichenden positiven Effekten führt, bleibt noch viel zu tun. Wie die aktuelle Studie „Entgelttransparenzgesetz im Realitätscheck“ aufzeigt, kennt nicht einmal die Hälfte der Arbeitnehmer das neue Gesetz. Nur jedes fünfte Unternehmen geht mit dem Thema tatsächlich offen um. Den Auskunftsanspruch tatsächlich geltend zu machen, plant sogar nur jeder Achte. Viele befürchten negative Konsequenzen wie stärkeren Druck oder geringere Entwicklungsmöglichkeiten.
Hilfreich wäre es daher, wenn gerade Frauen, die in ihrem Umfeld keinerlei negative Konsequenzen erwarten müssen, mit gutem Beispiel vorangehen, unabhängig davon, ob sie eine schlechtere Bezahlung aufgrund ihres Geschlechts befürchten oder nicht. So könnte die Inanspruchnahme des Auskunftanspruchs ein Stück weit normaler werden und so auch anderen Frauen den Weg ebnen.
4. Fehlende Gleichberechtigung ist ein regionales Phänomen
In vielen Regionen Deutschlands verdienen Frauen bereits gleich viel oder sogar mehr als Männer. So gibt das Statistische Bundesamt DeStatis den unbereinigten Gender Pay Gap für die neuen Bundesländer mit nur sieben Prozent an. In Cottbus beispielsweise verdienen Frauen im Schnitt sogar 17 Prozent mehr als Männer.
Die Gründe dafür werden einerseits historisch-kulturell verortet. Während in Westdeutschland viele Frauen zu Hause blieben und sich um Kinder und Haushalt kümmerten, war es in der DDR selbstverständlich, dass Frauen arbeiteten. Daher existierte dort auch eine wesentlich bessere Infrastruktur, die dies ermöglichte. Auch heute gibt es noch in vielen Regionen Ostdeutschlands mehr Frauen in Führungspositionen, eine umfassendere Kinderbetreuung und vieles mehr. Andererseits ist die Lohnlücke in den Regionen besonders groß, in denen es gut bezahlte Industrie-Jobs gibt, in denen überwiegend Männer arbeiten.
Der Equal Pay Day bleibt uns noch erhalten
Es hat sich also durchaus etwas getan. Mit dem Wandel der Arbeitswelt ergeben sich viele neue Chancen, die genutzt werden dürfen. Aber auch die Politik ist angehalten, für eine weitere und zügige Verbesserung in Sachen Geschlechtergerechtigkeit zu sorgen. Der Equal Pay Day bleibt uns also sicherlich noch eine Weile erhalten.